Greenwashing: Wenn Nachhaltigkeit zur leeren Marketingstrategie wird
Gemäß der Europäischen Kommission rangiert der Verbrauch von Textilien als der viertgrößte Faktor für Umweltauswirkungen und Klimawandel, nach Lebensmittelproduktion, Wohnbau und Mobilität. In Bezug auf Wasser- und Landnutzung liegt er an dritter Stelle, und bei der Nutzung von Primärrohstoffen und der Emission von Treibhausgasen an fünfter Stelle. Jedes Jahr werden in Europa durchschnittlich 11 kg Textilien pro Person entsorgt. Zwischen 2000 und 2015 hat sich die weltweite Textilproduktion fast verdoppelt, und der Verbrauch von Kleidung und Schuhen wird voraussichtlich bis 2030 um 63 % steigen.
Neben dem Problem des Ressourcenverbrauchs sollte die soziale Komponente berücksichtigt werden. Nachhaltigkeit bedeutet, dass Arbeitskräfte fair behandelt, Kinderarbeit vermieden und umweltschädliche Chemikalien nicht eingesetzt werden. Eine Untersuchung der Europäischen Kommission hat ergeben, dass fast die Hälfte der Angaben zur Nachhaltigkeit auf Produkten oder in Werbung falsch oder irreführend sind. Das betrifft auch die Textilbranche.
Unternehmen versuchen das Nachhaltigkeitsnarrativ für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Eine Praxis, die in diesem Kontext immer wieder auftaucht, ist das sogenannte „Greenwashing“. Greenwashing bezeichnet das Praktizieren von irreführender Werbung oder Marketing, bei dem Unternehmen den Eindruck erwecken, umweltfreundlicher zu sein, als sie tatsächlich sind. Dabei werden oft Nachhaltigkeitsaussagen oder Umweltversprechen verwendet, um das Image eines Unternehmens zu verbessern oder um Produkte und Dienstleistungen attraktiver für umweltbewusste Verbraucher erscheinen zu lassen. Oftmals stehen hinter diesen Aussagen jedoch keine substantiellen Maßnahmen oder Taten. In der Modebranche, die für ihren Einfluss auf die Umwelt und ihre oft fragwürdigen Arbeitsbedingungen bekannt ist, ist Greenwashing keine Seltenheit.
Trotz der Bemühungen einiger Modelabels, nachhaltigere Praktiken zu implementieren, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Glaubwürdigkeit ihrer Nachhaltigkeitsansprüche. Die Ergebnisse einer Untersuchung der Changing Markets Foundation haben gezeigt, dass 60 Prozent der Behauptungen von britischen und europäischen Modeunternehmen, einschließlich Zara und H&M, nicht durch ihre Praktiken bekräftigt sind und Verbraucher irreführen.
Beispiele für Greenwashing in der Modebranche
H&M
Der zweitgrößte Modehändler der Welt, wird für sein Geschäftsmodell und die damit verbundene Produktion riesiger Mengen an Kleidungsstücken kritisiert. Obwohl das Unternehmen Initiativen zur Nachhaltigkeit wie eine Kleidungsrecycling- und Kollektionsprogramm und die „Conscious“ Kollektion eingeführt hat, bleibt seine Praxis der schnellen Mode und die Verwendung von unklaren Nachhaltigkeitsaussagen umstritten. Der Modekette wurde nachweislich vorgeworfen (Quelle: Quartz), dass sie Produkte als umweltfreundlicher darstellte, als sie tatsächlich waren. Der Bericht fand auch einige Fälle, in denen zu Produkten Informationen zur Nachhaltigkeit beigefügt waren, die komplett gegensätzlich zur Wahrheit waren. Trotz einiger ins Leben gerufener Initiativen und ambitionierter Ziele, die sich H&M gesetzt hat, liegt es in der Natur der Fast Fashion, Verbraucher dazu zu verleiten, mehr Kleidung zu kaufen, als sie wirklich benötigen. Darüber hinaus kann die Förderung des Recyclings und die Aufforderung an Verbraucher, dasselbe zu tun, nicht die 3 Milliarden Kleidungsstücke ausgleichen, die das Unternehmen jährlich produziert. Viele kritisieren auch, dass die Nachhaltigkeitsansprüche vage sind und die mangelnde Transparenz hervorheben, was die Reduzierung des Umwelteinflusses und der Kohlenstoffemissionen entlang der Lieferkette betrifft.
Zara
Zara hat in den letzten Jahren Initiativen zur Steigerung der Nachhaltigkeit eingeführt, wie die „Join Life“ Kampagne und sich das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100% erneuerbare Energie zu nutzen. Dennoch wird das Unternehmen dafür kritisiert, dass die schnelle Produktion von neuen Kollektionen nicht ausreichend verlangsamt. Transparenzprobleme in Bezug auf Lieferanten und Auditergebnisse treten weiterhin auf. Das Unternehmen wird wiederholt wegen seiner möglich unzureichenden Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen kritisiert. Auch wenn Zara’s Pre-Owned Plattform das Engagement der Marke zur Minimierung von Textilabfällen demonstrieren mag, entspricht sie nicht den Zielen einer Kreislaufwirtschaft, und einige Kritiker haben sie sogar als offensichtliches Greenwashing bezeichnet (Murphy, 2022). Die Marke produziert trotz der Initiative immer noch fast 450 Millionen Kleidungsstücke jährlich und über 500 neue Styles pro Woche – mehr als das durchschnittliche Unternehmen ind der Fast-Fashion-Branche (Kozlowski, 2023).
Shein
Als die gemeinnützige Organisation The OR Foundation auf dem Global Fashion Summit in Kopenhagen bekannt gab, dass sie von Shein 15 Millionen Dollar erhalten würde, um das enorme Problem des Kleidungsabfalls auf dem Kantamanto-Markt in Accra, Ghana, anzugehen, war die Reaktion mehr als gemischt. Der Zuschuss, der sich auf 5 Millionen Dollar (4 Millionen Pfund) pro Jahr für drei Jahre beläuft, ist Teil von Sheins größerem Fonds für erweiterte Herstellerpflichten, um bei der Bewältigung von Textilabfällen zu helfen. Kritiker sehen die Initiative als extremes Beispiel für Greenwashing, das Shein (das kürzlich mit 100 Milliarden Dollar bewertet wurde) ermöglicht, weiterhin wie gewohnt Geschäfte zu machen, während sie nur unproportionale zum Ausmaß der Produktion, die mindestens 35.000 Kleidungsstücke pro Tag beträgt, Bekenntnisse zur Notwendigkeit abgibt, ihre Umweltauswirkungen anzugehen.
Nike
Der weltweit größte Anbieter von Sportbekleidung und -ausrüstung, wird für seine Greenwashing-Praktiken kritisiert, obwohl es in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit gemacht hat. Die „Move to Zero“ Kampagne von Nike wurde als Marketingkampagne betrachtet, die alte Verpflichtungen wiederverwertet, ohne neue anzubieten, was Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit seiner Nachhaltigkeitsansprüche aufwirft. Im Mai 2023 wurde Nike von einer Sammelklage wegen angeblich irreführender Nachhaltigkeitsansprüche getroffen. Die Klage behauptet, dass Nike versucht hat, von Verbrauchern, die „grüne“ Produkte bevorzugen, zu profitieren, indem es bestimmte Kleidungsstücke als „nachhaltig“ beworben hat, obwohl sie tatsächlich aus nicht biologisch abbaubaren Materialien auf Kunststoffbasis hergestellt wurden.
Die Vorwürfe des Greenwashings hallten bei vielen Verbrauchermarken wider und verdeutlichten die Notwendigkeit einer größeren Transparenz gegenüber Interessengruppen sowie einer größeren Rechenschaftspflicht in den Nachhaltigkeitsbemühungen der Modeindustrie im Allgemeinen.
Wie könnt ihr Greenwashing erkennen?
Um Greenwashing zu erkennen und sicherzustellen, dass Modelabels tatsächlich nachhaltige und ethische Entscheidungen treffen, könnt ihr die folgende Checkliste verwenden:
- Transparente Lieferkette: Überprüfe, ob Informationen über die Lieferkette bereitstellt werden und ob das Modelabel Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass diese fair und nachhaltig ist.
- Zertifizierungen und Standards: Schaue nach anerkannten Zertifizierungen wie GOTS (Global Organic Textile Standard) oder Fair Trade, die die Einhaltung bestimmter Standards für Umweltschutz und Arbeitsbedingungen garantieren:
- B-Corp: Diese Zertifizierung bewertet die gesamte soziale und ökologische Leistung eines Unternehmens, einschließlich Aspekte wie Mitarbeiterbehandlung, Beteiligung am Gemeinwesen und ökologischen Fußabdruck;
- Good On You: Dieses Bewertungssystem beurteilt Marken nach ihrem Einfluss auf Menschen, den Planeten und Tiere. Die Bewertungen reichen von „Wir vermeiden“ bis „Hervorragend“;
- Eco-Stylist: Eco-Stylist bewertet Marken anhand ihres Einsatzes von nachhaltigen Materialien, fairen Arbeitspraktiken und ökologischen Auswirkungen. Die Bewertungen reichen von Bronze bis Platin;
- Global Organic Textile Standard (GOTS): Anerkannt als einer der bedeutendsten Standards für die nachhaltige Produktion von Kleidung und Textilien aus natürlichen Fasern wie Bio-Baumwolle oder Bio-Wolle;
- Fair Trade Certified: Ein weit anerkanntes Modell für nachhaltige Beschaffung, das die Lebensgrundlagen verbessert und transparente und widerstandsfähige Lieferketten aufbaut;
- Better Cotton Initiative (BCI): Derzeit wird fast ein Viertel der Weltbaumwolle gemäß diesem Standard produziert. Strebt eine Welt an, in der Baumwollbauern und -arbeiter widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel, Umweltgefahren und sogar globalen Pandemien sind;
- Bluesign: Konzentriert sich auf verbesserte Chemikalien und chemische Prozesse in der Textilindustrie;
- Cradle to Cradle Certified: Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, ist die Kreislaufwirtschaft von Ressourcen entscheidend; dieses Zertifikat stellt sicher, dass ein Unternehmen Best Practices der Kreislaufwirtschaft für ihre Materialien und den Produktlebenszyklus anwendet.
- Langfristige Verpflichtungen: Untersuche, ob die Modemarke oder Händler langfristige Verpflichtungen zur Nachhaltigkeit hat und ob es konkrete Ziele und Meilensteine für deren Umsetzung festlegt.
- Offenheit: Achten darauf, wie transparent das Unternehmen über seine Praktiken und Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung ist. Seriöse Marken sollten bereit sein, Fragen zu beantworten und Informationen zur Verfügung zu stellen.
- Konsistenz und Glaubwürdigkeit: Überprüfe, ob die Behauptungen mit tatsächlichen Aktivitäten und Produkten übereinstimmen. Konsistenz und Glaubwürdigkeit sind wichtige Indikatoren dafür, ob tatsächlich nachhaltig gehandelt oder nur Greenwashing betrieben wird.
Indem ihr die Praktiken von Modemarken kritisch hinterfrag, könnt ihr Greenwashing in der Modebranche identifizieren und Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung in der Modebranche unterstützen. Letztendlich liegt es an uns allen, informierte Entscheidungen zu treffen und uns für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen.
Quellen:
- https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/QANDA_22_2015
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltige-produktion-von-textilien-1638836
- https://www.thefashionlaw.com/fast-fashion-sustainability-is-about-more-than-the-fabrics/
- https://www.independent.co.uk/voices/zara-shein-second-hand-clothes-b2207995.html
- https://www.vogue.co.uk/fashion/article/shein-the-or-foundation
- https://www.euronews.com/green/2022/10/17/how-are-shein-hauls-making-our-planet-unlivable
- reports ClassAction.org
Bild: wirestock