Bis zu 24 Kollektionen im Jahr, neuste Fashion-Trends, inspiriert oder direkt kopiert von den Prestige-Laufstegen, landen als preiswerte Kleidung auf den überfüllten Kleiderhaken in beliebten Modehäusern, wie H&M oder Zara. Seit dem Jahr 2000 revolutionierte Fast-Fashion die Modeindustrie. Die Diskussion der möglichen Langzeitfolgen des geänderten Konsumentenverhaltens, welches mit dem Trend eingeläutet wurde rückten zusammen mit dem Anspruch für Qualität dabei in den Hintergrund. Ebenso die Erarbeitung von geeigneten Maßnahmen, welche auf die Auswirkungen, die diese Umstellung mit sich bringen würde, gerichtet wären. Mode wurde noch günstiger, abwechslungsreicher und dadurch leichter zugänglich: „More is more“ (engl.: „mehr ist mehr“). Die Konsequenzen des Nachrennens von immer wieder wechselnden Fashiontrends sind jedoch über die letzten knapp zwei Jahrzehnte unübersehbar: Nicht nachhaltiger, unverantwortlicher Umgang mit nicht erneuerbaren Rohstoffen, Einsatz von gesundheits- und umweltschädlichen Chemikalien und Arbeit in unzumutbaren Arbeitsbedingungen sind immer noch weit verbreitet.
Wachsende Produktion von Neuware, aber gestärktes Nachhaltigkeitsbewusstsein beim Kauf schenken Hoffnung
Die globale Produktion von Textilien stieg seit der Jahrtausendwende um mehr als 100% an. Der Meilenstein von 100 Milliarden neu produzierten Kleidungsstücken wurde 2014 erreicht. Obwohl die Inlandsproduktion in Deutschland im Jahr 2018 im Vergleich zu 2015 um fast 6.000 Tonnen gesunken ist (was auf die Abnahme der Attraktivität des Produktionsstandorts Deutschland hinweist), stieg die Verfügbarkeit von Textilien in 2018 im Vergleich z 2015 um knapp 100.000 Tonnen an. Die Kosten für das erhöhte Angebot an Kleidung sind innerhalb von 15 Jahren ab dem Jahr 2000 lediglich um 10% gewachsen.
Im Durchschnitt kaufen wir in Deutschland pro Kopf 60 Kleidungsstücke pro Jahr ein, tragen diese jedoch halb so lang wie noch vor 15 Jahren. Jedes fünfte Kleidungsstück wird laut Umfragen nie getragen. Dies entspricht einer Milliarde Kleidungsstücke, die wir nur im Schrank lassen. Zählt man Kleidung, die seltener als alle drei Monate aus dem Kleiderschrank genommen werden hinzu, kommt man auf zwei Milliarden Stück Kleidung, die nahezu den Großteil der Zeit ungebraucht im Schrank liegen. Günstige Mode ist zum Wegwerfprodukt geworden, dass man mit leichterem Gewissen komfortabel und schnell durch Neue ersetzen kann, wenn sich die Trends ändern ohne spürbare finanzielle Einbüße.
Gemäß einer umfassenden Greenpeace-Studie von 2015 rangierten 21% Ihre Kleidung ausschließlich dann aus, wenn diese beschädigt ist oder nicht mehr passt. Gründe, welche darüber hinaus für das Entsorgen der Kleidung genannt werden, sind, dass das Kleidungsstück nicht mehr gefällt (64%), aus der Mode gekommen ist (40%), oder das mehr Platz im Schrank geschafft werden muss (31%). Umfrageergebnisse zeigten auf, dass 68% von uns in Deutschland noch nie Kleidung verliehen und 83% noch nie Kleidung getauscht hat. 88% haben zum Zeitpunkt der Befragung in den letzten 6 Monaten oder mehr Kleidung entsorgt. Nur jeder Vierte achtete beim Kauf von Kleidung auf Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Arbeitsbedingungen der Hersteller. Dabei könnten wir, wenn wir unsere Kleidung im Schnitt nicht ein, sondern zwei Jahre tragen würden, den CO2-Ausstoß um 24% senken. Im Moment liegt dieser bei mehr als 850 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Textilindustrie ist für ca. 3% der Treibhausgasemissionen pro Kopf pro Jahr in Deutschland verantwortlich. Der Einfluss der Pandemie zeigte entgegen vieler Einschätzungen nur mäßigen Einfluss auf das Nachhaltigkeitsbewusstsein und Second-Hand Shopping. Obwohl fast 30% der Deutschen in der Pandemie weniger neue Kleidung gekauft hatten, als zuvor (primär deshalb, weil wir es nicht für nötig oder nicht als wichtig empfanden) änderten sich bei knapp 60% der Befragten die Einkaufsgewohnheiten nicht.
Tausende Tonnen Mikroplastik durch Abrieb von synthetischen Fasern
Die kostengünstige und einfache Produktion von Polyester diente als Treibstoff für das explosive Wachstum des Fast Fashion Trends: 60% unserer Kleidung besteht aus oder wurde zumindest aus Teilmengen dieser künstlichen Faser hergestellt. Dabei übersteigt die Menge an CO2-Emmisionen, welche bei der Produktion von Polyester in die Umwelt ausgesetzt wird die von der Baumwolle um das Dreifache.
Die umweltschädlichen Auswirkungen von Kleidung aus synthetischen Fasern lasten jedoch nicht ausschließlich auf den Schultern der Hersteller selbst. Schalten wir unsere Waschmaschine mit einer Ladung von 5-Kilogramm dieser Kleidung ein, können über 583.000 – 700.000 einzelne Mikrofaser in Flüssen und anschließend in Meeren ankommen. Für Meerestiere kann dies gesundheitsschädliche bis sogar tödliche Konsequenzen haben. Die Konzentration von Mikropartikeln entlang der Nahrungskette kann darüber hinaus ansteigen.
Verschwenderischer Wasserverbrauch und hohe chemische Belastung
Wie viel Liter Wasser habt Ihr im Kleiderschrank? Die Herstellung von nur einem Kilogramm Baumwolle erfordert nach einigen Schätzungen 10.000-11.000 Liter Wasser. Bei einer konventionellen Jeans wären dies ca. 7.000 Liter. Ausschlaggebend für den hohen Wasserbedarf bei der Produktion ist das ineffiziente Ressourcenmanagement und genutzte, veraltete Bewässerungssysteme im Anbau. Mit moderner Technik wird laut neusten Studien für den Anbau derselben Menge an Baumwolle knapp 1.600 Liter Wasser benötigt. Obwohl 40% des Baumwollanbaus ohne künstliche Bewässerung dank Niederschlägen und günstigen klimatischen Bedingungen auskommen, entfallen jedoch 40% des Wassers auf den Anbau auf Länder, die mit Wasserknappheit zu kämpfen haben.
Gemäß Schätzungen benötigt der Anbau von Naturfasern so viel Wasser wie alle Haushalte der Welt zusammen. Ökologische Konsequenzen einer ineffizienten Wassermanagements, zeigen sich in nicht nachhaltiger Reduktion von Wasserreserven, kontaminiertem Grundwasser und Bodenerosionen wie auch deren übermäßiger Versalzung. Ein direktes Zeugnis tragischer Auswirkungen übermäßiger Wasserentnahme ist die Austrocknung des Aralsees: Das einst viertgrößte Binnengewässer der Welt trägt nur ein Drittel der ursprünglichen Menge an Wasser.
Pestizide und Insektizide (jeweils 5% und 14% des weltweiten Marktes entfallen auf die Kultivierung von Baumwolle), Düngemittel und der Einsatz von Chemikalien in der Produktion von herkömmlichen Textilien verschärfen die Belastung der Umwelt durch die Modeindustrie. In Deutschland gehört die Veredelung der Textilien zu den abwasserreichsten Industrien. Diese Abwasserbelastung entsteht durch Präparations- und Schlichtemittel, welche bei der Faser- und Garnproduktion eingesetzt wie auch aus Farbstoffen, Textilgrundchemikalien und Hilfsmitteln, die im Veredlungsprozess verwendet werden. Hierfür kommen bis zu 20.000 verschiedene Chemikalien zum Einsatz. Bis zu ein Kilogramm an schwer biologisch abbaubaren Chemikalien wird benötigt, um dasselbe Gewicht an Textilien aufzubereiten.
Während Abwasserkläranlagen allein im europäischen Raum nur begrenzt diese Verunreinigungen herausfiltern können, sind die ökologischen Auswirkungen in Indien und Asien kritisch: Aufgrund unzureichender und überlasteter Behandlungsinfrastruktur werden die chemischen Abfallstoffe oft direkt in die Flüsse abgeleitet.
Die Fabrikation von Chemiefasern wie Polyester, Elastan verbraucht jedoch neben nicht-erneuerbaren Rohstoffen Wärmeenergie bei der Fasertrocknung. Warmes Prozesswasser zusammen mit Emissionen, die bei der Trocknung und Aufbereitung von Textilien entstehen, tragen zu einer hohen Energiebilanz von Veredelungsprozessen bei.
Ausnutzung billiger Arbeitskraft
Umweltbelastungen sind trotz ihres überwältigenden Umfangs nur ein Teil des komplexen Geflechts an Konsequenzen, welche die Fast-Fashion Industrie nach sich zieht. Ein zentrales Problemfeld stellen die sozial-ethischen Auswirkungen der schwerwiegenden Folgen eines trendhungrigen Kleidungskonsums dar. Die Arbeitsbedingungen und Entlohnungen der Arbeitskräfte in asiatischen Produktionsländern sind häufig menschenunwürdig. Das aufgezwungene Tempo der wechselnden Kollektionen, die wir in Deutschland durchschnittlich als Konsumenten verlangen, fördern den Erhalt dieser Niedriglohnstruktur und der schlechten Bedingungen, in welchen Menschen arbeiten, damit wir die neusten Trends günstig in unseren gut klimatisierten Lieblingsläden kaufen können.
Nichtentlohnte Überstunden bei Arbeitstagen, 16 Stunden mit geringen Pausen, verbunden mit Arbeit unter intensivem Leistungsdruck im Akkord stellen die Realität der überwiegenden Mehrheit der Arbeiter in der Textilindustrie.
Hinzu kommen fehlende stabile Arbeitsverträge und seriöse Sicherheitsmängel, u.a. durch nicht eingehaltene Brandschutzvorgaben.
Ungefähr 70 Prozent der Arbeitskräfte in der globalen Textilindustrie sind Frauen, die aufgrund mangelhafter Arbeitsbedingungen und überwiegend fehlendem Einsatz oder Vorhandensein von geeigneter Schutzkleidung an Krankheiten leiden.
Die kollektiven Stimmen der Arbeiter, vertreten durch Gewerkschaften werden nicht erhört oder stumm gehalten. Oft fehlen hierzu Kenntnisse der Arbeiter ihrer eigenen Rechte oder das Geld für juristische Auseinandersetzungen. Auf diese Weise bleibt die rechtliche Verfolgung von Verstößen gegen Arbeitsrechte nur eine Ausnahme.
Verwertung von Mischgeweben bleibt weiterhin eine große Herausforderung
Die Separation im von Fasern aus Second-Hand Textilien mit gemischten Stoffanteilen ist hoch arbeitsaufwendig. Zwar findet die mechanische Trennung von Fasern bereits statt, wie z.B. von Baumwolle und Wolle beispielsweise, jedoch verhindern Kleidungselemente wie Reißverschlüsse, Knöpfe, Zugaben von anderen Materialien, um die gewünschte Beschaffenheit des Kleidungsstücks zu erreichen, eine schnelle und ökonomisch effizientere Umsetzung. Darüber hinaus benötigen die damit zurückgewonnenen, zerrissenen Fasermischungen zur Herstellung von nutzbaren Garnen die Beisetzungen von neu produzierten Fasern. Ein 100%-iges Schließen des Faserrecyclings ist somit oft nicht möglich.
Synthetik-Textilien hingegen lassen sich nur im geringen Maße recyceln. Erste chemische Wiederverwertungsmethoden zur Wiederverwendung von Naturfasern sind möglich, werden aber bisher von nur wenigen Unternehmen aufgrund der noch begrenzten Rentabilität eingesetzt. Die Kultivierung und Einsatz von Bio-Fasern u.a. aus alten Nylon-Fischernetzen, Hanf, oder recycelten PET Flaschen findet derzeit nur in Nischenprodukten der Modewelt Anwendung. Die Auswirkungen und Aufbereitungstechniken verlangen aber noch ausführlichere Prüfungen. Obwohl schon Forschungen an Verfahren stattfinden aus Baumwolle Viskose zu gewinnen, lässt sich noch keine Methode ökonomisch rechtfertigen. Kosten recycelter Fasern sind weiterhin generell höher als die von Neugarnen.
Die Einführung von Textilrücknahmen durch Verkäufer oder Hersteller ist ein wichtiger Schritt in die Richtung einen geschlossen(eren) Verwertungskreis (insbesondere von Kleidung) zu schaffen, aber schon beim Entwerfen neuer Mode sollte der weitreichendere Blick auf mögliche Verwertungswege geworfen werden. Textilien aus verantwortungsbewusster Produktion fallen im Vergleich zur Anfrage von neuer Kleidung gering aus. Wären die Fasern nicht gemischt, würde dies die Türen für ein viel effizienteres Recycling von textilen Stoffen öffnen.Andernfalls wird trotz des jetzigen Recyclings von Alttextilien ihre Lebensdauer verlängert, indem diese dem Verwertungskreis neu zugeführt wird, aber jede weitere Weiterverwendung degradiert ihre Qualität, sodass letztendlich doch auf dem Müll landet.
Fazit
Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Folgen des Konsumdrucks an Mode ist somit transparente Kommunikation der Folgen unverantwortlicher Überproduktion von Neuware, bewussteres Einkaufen und längeres Tragen von qualitativ hochwertigerer Kleidung von fundamentaler Bedeutung. Damit können wir gemeinsam eine nachhaltigere Zukunft in der Modeindustrie aufbauen. Die gute Nachricht: Schon jetzt können wir aktiv uns daran beteiligen. Interesse an recycelter Kleidung bleibt laut Umfragen in 2020 stabil – 56% der Deutschen geben an bereits Second-Hand Kleidung gekauft zu haben. Dabei kaufen ein 32% von uns in Deutschland gebrauchte Ware ein und fast die Hälfte schätzt ab, dass er oder sie gebrauchte Kleidung erneut kaufen wird. Die Bereitschaft den eigenen Kleiderschrank mit neuentdecktem Alten zu füllen ist um 6% zu 2019 gestiegen. Dies zeigt sich insbesondere bei 16-35-jährigen: Über 63% dieser Altersgruppe zeigt eine hohe Bereitschaft Second-Hand Kleidung einzukaufen. Wie wir unsere Kleiderschränke bewusster ausstatten und worauf wir hierzu im Alltag achten können, findet ihr in diesem Blogeintrag: Was tun, um bewusster und nachhaltiger mit Kleidung umzugehen?.
Quellen:
https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/chemie_plastikatlas_2019.pdf
https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/nachhaltigkeit-und-umwelt/mikroplastik